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Ein Jahr nach Erfurt

Nutzer: Gast_Zuckerwasser
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geschrieben am: 22.04.2003    um 08:16 Uhr   
[i]Habe einen guten Beitrag in der Thüringer Allgemeinen über den Amoklauf von Erfurt gefunden...

Quelle: Link


(zitat)[b]Die Kommission und das Meer[/b]


Mord ist Sport. Ego-Shooter, zumeist gewalttätige Computerspiele aus der Ich-Perspektive, könnten sich so charakterisieren lassen. Ihr Wesen ist damit aber kaum getroffen. Und so tut sich der Jugendschutz hierzulande mit einer Bewertung schwer. Was schadet wirklich? Was ist Jugendkultur? Ein Jahr nach der Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium ist die Debatte im Gang - die Möglichkeiten der Jugendschützer aber sind begrenzt.

Wer nach dem Verbrechen am Gutenberg-Gymnasium glaubte, dass Produzenten von Computerspielen zurückhaltender würden, war naiv. Aber es wurde eine Debatte darüber, welchen Einfluss neue Medien haben und wie damit umgegangen werden muss, losgetreten.

Seit Anfang April gilt zudem ein neues Jugendschutzgesetz. Nicht weil die Morde von Erfurt passiert waren. Aber es ist konsequenter, um solche Taten besser vermeiden zu können.

So wurde der Jugendschutz neu organisiert. Die Bewährungsprobe dafür hat gerade begonnen. Wie wirksam er ist, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Die privaten Rundfunk- und Fernsehsender dürfen sich selber kontrollieren und die neu geschaffene Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) greift erst dann ein, wenn diese Selbstkontrolle versagt. Neu ist, dass sich die Aufgaben der KJM auch auf das Internet erstrecken.

"Wir wissen, das ist wie Angeln im Meer von einem kleinen Boot aus", umschreibt Victor Henle, Chef der Thüringer Landesmedienanstalt und Mitglied der KJM, diese Anforderung. Eine umfassende Kontrolle des Internet ist nicht möglich und deshalb auch nicht gewollt. Aber auf Jugendschutz soll nachdrücklicher als bisher aufmerksam gemacht werden.

Deshalb gibt es auch eine enge Verbindung der KJM zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn. "Wenn wir einen Inhalt als unzulässig ansehen, dann muss die Prüfstelle ihn indizieren", so Henle. Früher konnten nur Empfehlungen ausgesprochen werden.

Aus Sicht der Bundesprüfstelle hat sich seit der Bluttat in Erfurt zumindest auf dem PC-Spielemarkt nichts geändert. "Wir mussten im Vorjahr 14, im Jahr davor elf und vor zwei Jahren sieben Computerspiele indizieren", sagt die Chefin, Elke Monssen-Engberding, dieser Zeitung. Der ins Gerede gekommene Ego-Shooter "Counterstrike", den auch der Täter von Erfurt bevorzugt gespielt haben soll, war nicht darunter.

Trotzdem sind Spiele wie dieses zunehmend in die Kritik geraten. Nutzt doch die US-Armee gerade auch solche Computersimulationen, um Soldaten die Hemmung vorm Töten eines Menschen zu nehmen.

Der 19-jährige Täter von Erfurt ist sicherlich nicht durch Computerspiele zum Mörder geworden. Aber er konnte vorm Bildschirm die Tatabläufe beim Schießen einstudieren und jene Schnelligkeit trainieren, die er brauchte. Psychologen sprechen auch von "heimlichen Lehrplänen" in Gewaltspielen. Diese, sagen sie, lehrten Konfliklösungsmodelle und Rollenmuster, die jegliche demokratischen und sozialen Aspekte gesellschaftlichen Zusammenlebens ausblenden - so wie am 26. April 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium.

Dieser Gefahr in den Spielen lässt sich kaum durch Verbote begegnen, wenn es Politik und Gesellschaft nicht gelingt, Jugendlichen auch vernünftige Chancen und Werte zu bieten. Ohne diese bleiben auch Kommissionen nur Feigenblätter.(/zitat)

[schwarz]Finde den Artikel gelungen. Auch in Bezug auf die Computerspiele. Das man darin "Lehrpläne" sehen kann, finde ich, ist gar nicht so abwägig. Aber wie im letzten Absatz treffend geschrieben steht, hat es keinen Sinn dagegen vorzugehen, wenn den Jugendlichen hier nicht viel geboten wird.



Geändert am 22.04.2003 um 08:18 Uhr von Zuckerwasser
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