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geschrieben am: 18.03.2002 um 20:28 Uhr
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Tränende Feder....
Sie fiel mir sofort auf, sie saß in einer geradezu anmutigen Haltung da, hatte eine Feder in der einen, einen spitze Gegenstand in der anderen Hand und starrte sich auf die Arme.Ich wusste nicht, was ich von diesem Bild halten sollte, mir brannte nur ein Gedanke im Kopf- traurige Schönheit.Als ich sie näher betrachtete fiel mir auf, dass sie nicht hübscher war als andere Frauen in ihrem Alter, aber sie hatte einen unglaublich traurigen Glanz in den Augen, in denen sich die Welt widerzuspiegeln schien.Dieser traurige Schimmer entsprang ihren Augen, legte sich leidenschaftlich über ihr Gesicht und mündete, entlang ihres Halses, in kleine feine Tränen.Andere hätten vielleicht betreten weggesehen, ich jedoch stand vor ihr, starrte diesem traurigem Engel aufs Haupt und konnte meinen Blick nicht lösen, zu sehr berührte mich dieser Anblick.Sie schien mich nicht zu bemerken, starrte einfach auf ihre Arme und begann leise einige Takte der bezauberndsten und schwermütigsten Melodie zu summen.Wie von einer fremden Macht ergriffen fing ich an, mich zur Melodie der Frau zu bewegen als diese jedoch verstummte, und mich mit einem entsetztem Ausdruck ansah und ihren Kopf beschämt senkte.Unfähig etwas zu sagen stand ich da, versuchte die Worte einer Entschuldigung zu formulieren und senkte meinen Kopf schließlich ebenfalls.Als ich es wagte wieder aufzusehen, sah ich, dass sie weinte – lautlos und voller Stolz wie nur Frauen es können. Langsam löste sich meine Beklommenheit und ich wollte ihr, als Zeichen des Verständnisses, meinen Arm um ihre Schulter legen.Während des Versuchs mich für das Eindringen in einen ihrer intimsten Momente zu entschuldigen, fühlte ich wie Hektik von ihr Besitz ergriff. Nervös ließ sie diesen spitzen Gegenstand, der noch kurz zuvor so in ihrer Hand gelegen war, als würde er nur dort hingehören, in die Tasche ihrer Weste gleiten.Sie sprang auf und ging einige Schritte, wurde schneller und rannte schließlich durch den Park.Ich blickte ihr lange nach und als nichts mehr von ihr zu sehen war, die schönste Traurigkeit die den Augenblick gefüllt hatte verloren gegangen war, blickte ich auf die Bank und sah dort die Feder liegen.Sie muss sie verloren haben, dachte ich mir, und hob sie auf.Als ich die Feder zwischen meinen Fingern drehte und sie mir genau ansah, spürte ich eine warme, weiche Flüssigkeit von der Feder ausgehend über meine Hand laufen. Erschrocken sah ich nun, dass diese Feder an jeder Stelle, an der ich sie berührte, blutige Tränen weinte. Ich setzte mich und konnte es einfach nicht fassen.Es gab keine rationale Erklärung für das was eben passierte und vor allem hatte es keinen Platz in meinem Weltbild. So etwas durfte es eigentlich nicht geben.Ich nahm diese seltsame Feder mit mir, legte sie in ein Kästchen und kaum hatte ich sie abgelegt, wurde die Feder wieder weiß und rein.Ich versuchte noch einige Male sie aufzuheben, doch jedes mal wiederholte sich das Spiel. Kaum berührte ich sie, weinte die Feder blutige Tränen.Diese Geschehnisse sowie die Tatsache, dass ich das Bild der traurigen Schönen nicht aus dem Kopf und ihre Melodie nicht aus dem Herzen verdrängen konnte, führten mich jeden Tag zur selben Zeit zu der Bank im Park.Doch ob Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag, ich hatte keinen Erfolg. Enttäuscht war ich, aber noch nicht bereit aufzugeben.Am nächsten Tag als ich mich wieder auf den Weg machte, spürte ich eine ungeheure Spannung in meinem Körper, welche einer erlösenden Ruhe wich, als ich sie auf jener Bank sah.Wie beim ersten Mal verkörperte sie Anmut und wieder umhüllte sie die schönste Traurigkeit, doch diesmal sah sie sich nicht gebannt auf beide Arme sondern nur auf einen, von dem ich glaubte zu wissen, was in seiner Hand ruhte.Langsam trat ich näher stand vor ihr, wissend, dass sie mich wahrnahm und wartete auf eine Reaktion, auf ein Wort von ihr. Sie sah auf ohne zu erschrecken und legte ihren Blick auf mein Gesicht und ließ ihn in meinen Augen ruhen.Ich wiederum starrte sie an, sah diese traurige und vorsichtige Zärtlichkeit in ihren Augen und spürte schweigen zu müssen.Meine Gedanken schwiegen nicht im Gegenteil, sie füllten meinen Kopf so zahlreich, dass ich glaubte, er müsse zerbersten. Ihr blieb das wohl nicht verborgen, denn als sich einer dieser Gedanken kristallisierte und sich formte um ausgesprochen zu werden, gab sie mir auf die ungestellte Frage eine Antwort. "Ich kämpfe" sagte sie mit klarer aber leiser Stimme. Mehr nicht nur: "Ich kämpfe.""Warum" wollten meine Gedanken wissen und "Gegen wen". Auch diesmal kam die Antwort, bevor ich die Fragen gestellt hatte. "Gegen mich, warum weiß ich nicht." Ich schwieg und sie nahm wieder die anmutige, starrende Haltung an und ich stand da und sah ihr dabei zu."Bist du ein Engel", hörte ich mich fragen und ärgerte mich über diese lächerliche Frage, die so gar nicht in mein Weltbild passte.Ihre Haltung verkrampfte sich und sie sah mich beinahe zornig an. |
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