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LiLaLu

Nutzer: Gast_Zaira
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geschrieben am: 02.05.2002    um 21:49 Uhr   
Es war einmal ein Mädchen, das wurde geboren von Sonne und Wind.
Mitten über dem Meer wurde es geboren, ganz hoch im Norden.
Und eine Wolke fing es auf und trug es.

Und schaukelte es. Und hielt es warm. Und kitzelte es.
Dass es fröhlich wurde, und heiter, und lächelte.
Und der Wind schob das Wolkenbett nach Süden.
Und die Sonne streichelte zärtlich das Kind.

Als das Wolkenbett das Land erreichte,
Da war das Kind gewachsen, und war eine schöne junge Frau.

Nun müssen wir dem Kind einen Namen geben, sagte der Wind.
Ja, sagte die Sonne, das müssen wir wohl.
Und dann wird es gehen.
Denn wer einen Namen hat, der wird gerufen.

Sei nicht traurig, sagte der Wind.
Wir werden sie sehen, und jeden ihrer Schritte verfolgen.
Ach, wenn das so einfach wäre, sagte die Sonne.
Wird sie nicht tanzen wie ein Schmetterling,
Huschen wie ein Wiesel,
Und im Baum sitzen wie ein Vogel.

Nun ja, sagte der Wind, das wird sie wohl.
Hast du ihr doch Heiterkeit, Wärme und Glanz verliehen.
Ja, und hast du ihr doch Leichtigkeit und Geschmeidigkeit geschenkt,
Erwiderte die Sonne.

So werden wir uns wohl abfinden müssen damit, sagte der Wind,
Denn halten können wir sie nicht.
Nun ja, sagte die Sonne, wir müssen sie wohl ziehen lassen.
So lass uns also einen Namen suchen.

Und Sonne und Wind überlegten hin und her.
Und suchten, und schauten, und dachten.
Und lauschten auf die Vögel, und betrachteten das Meer.
Und schnupperten an den Blumen.
Doch nichts schien ihnen heranzureichen an ihre Tochter.
Kein Wort schien ihnen gut genug.
Dass es hätte Name sein können für ihr Kind.

Schließlich fuhr der Wind durch das hohe Gras.
Und es flüsterte: LiLaLu...lilalu...

Da sagte der Wind: Lass es uns LiLaLu nennen...
Und die Sonne war einverstanden.

Vorsichtig trug die Wolke LiLaLu nach unten, und der Wind umspielte sie,
Und gab acht, dass sie im Gleichgewicht blieb, und hob, und stützte,
Und pustete die Wolke, bis dass LiLaLu am richtigen Ort war, am richtigen Platz.
Und die Sonne streichelte sie noch einmal zärtlich.

Dann ließen sie LiLaLu aussteigen.
Und die Wolke segelte davon.

Und Sonne und Wind sahen mit sehnsüchtigem Herzen, wie LiLaLu dastand,
Und sich umsah. Sie besah ihre Beine, streckte die Arme vor die Augen,
Sah in die Luft, drehte sich staunend im Kreise.
Was gab es da alles zu sehen! Die Bäume, und Häuser, und Gräser, und Vögel,
Die Blumen, und Kinder, und Tiere, und Sträucher.
LiLaLu konnte sich gar nicht satt sehen an all dem Neuen.
Schließlich ging sie auf ein Haus zu, das nicht weit entfernt von ihr stand.
Es war ein kleines Bauernhaus, rot angestrichen, mit einem Strohdach.
Es sah fröhlich aus, und war umgeben von Bäumen und Tieren.
Hühner liefen da herum, Gänse, ein paar Schweine, und eine Kuh.
Als LiLaLu sich näherte, schlug ein Hund kläffend an.
LiLaLu blieb vorsichtig stehen.
Wer bist denn du? fragte sie.
Nun, das ist unser Hofhund, antwortete eine Männerstimme.
Als LiLaLu hoch schaute, sah sie, dass ein junger Mann
In der Türe des Hauses stand.
LiLaLu lächelte ihn an, denn sie wusste nicht, was man sagte.
Guten Tag, sagte der Mann, und lächelte auch.
Bist du vom Himmel gefallen? Ich hab dich hier noch nie gesehen.
Nein, sagte LiLaLu, ich bin gesegelt.
Da lachte der Mann laut, denn weit und breit gab es kein Wasser
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Nutzer: Gast_Zaira
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geschrieben am: 02.05.2002    um 21:50 Uhr   
Der Mann bat LiLaLu herein, und bot ihr Wasser und Speisen an.
LiLaLu nippte am Wasser, und kostete vorsichtig vom Brot.
Denn sie hatte ja nie zuvor so etwas probiert.
Doch es gefiel ihr, und sie fand mehr und mehr Gefallen daran.
Herzhaft verzehrte sie Brot und Käse, und trank dazu vom Wasser.

Hast du auch einen Namen? fragte der Mann.
Ja, sagte LiLaLu. Hast du auch einen?
Ich heiße Hans, antwortete er, und darf ich deinen wissen?
Ja, ich glaube schon? dachte LiLaLu laut, man hat es mir wohl nicht verboten.
Und wie ist dein Name nun? lachte da Hans.
Ich heiße LiLaLu, antwortete sie.

Das ist ein seltsamer Name, erwiderte er.
Ja, das Gras hat ihn uns zugeflüstert.
So könnt ihr mit dem Gras sprechen?
Sicher.

Und woher kommst du LiLaLu?
Aus dem Norden.
Sehr weit?
Ja, ich glaube schon.
Ach so ist das.

Und er gab das Fragen auf.

Und lud LiLaLu ein zu bleiben.
Und sie blieb viele Wochen.

Sie lernte Brot zu backen. Und Bohnen zu kochen.
Die Kuh zu melken. Und die Gänse zu füttern.
Und sie lernte wie man sprach.
Und was man essen konnte.

Vor allem aber lernte sie ein neues Gefühl kennen.
Und es war etwas für das sie keine Worte wusste.

Wann immer Hans zur Tür herein kam,
Und sie anschaute, und lachte, und von draußen erzählte,
Wurde etwas weich in ihr, ganz weich.
Ja, so fühlte es sich an.

Und wenn sie dann abends am Tisch saßen,
Und er erzählte von früher, oder von fernen Ländern,
Oder holte die Gitarre, und sang ein Lied,
Dann wusste sie nicht, wollte sie zurück zu Mutter und Vater,
Ganz schnell, oder wollte sie das Gegenteil,
Nämlich ganz nah bei ihm sein, bei Hans,
Und für immer.

Und eines Abends, als Hans wieder einmal gesungen hatte,
Legte er plötzlich die Gitarre zur Seite,
Und nahm ihre Hand,
Und sah sie an.

Und da rann es wie Feuer durch ihre Adern,
Und LiLaLu schloss die Augen,
Und als sie aufwachten,
Am nächsten Morgen,
Da waren sie Mann und Frau.

Und Hans ging auf die Weide, und aufs Feld,
Und LiLaLu kochte das Essen,
Und versorgte das Vieh.

Eines Tages dann,
Als LiLaLu aus dem Haus trat,
Um die Tiere zu füttern,
Stand dort eine andere junge Frau.

LiLaLu sah ihr ins Gesicht,
Und sah, dass sie weinte,
Und bat sie herein.

Und die junge Frau erzählte eine traurige Geschichte.
Wie sie allein war ihr Leben lang.
Und wie sie weinte, jeden Tag.

Da legte LiLaLu ihren Arm um sie.

Und als Hans kam,
Aßen sie alle drei,
Und dann sang Hans ein Lied.

Und als Hans sang und lachte,
Da sah LiLaLu wie die andere junge Frau,
Rote Wangen bekam.

Und als Hans schlief,
Holte LiLaLu die junge Frau,
Und gab ihr ihren Platz,
Neben Hans,
Und legte sich selbst auf die Bank.

Und am nächsten Morgen.
Hatte die junge Frau rote Wangen.
Und ein ganz kleines Strahlen in den Augen.

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Nutzer: Gast_Zaira
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geschrieben am: 02.05.2002    um 21:51 Uhr   
Und LiLaLu weinte.
Und dann fütterte sie das Vieh.
Und kochte das Essen.
Und am Abend sang Hans zur Gitarre.
Und nachts tauschte LiLaLu das Bett.
Mit der jungen Frau.

Und als nach vielen Tagen,
Die junge Frau leuchtete,
Und strahlte,
Wie ein Stern am Himmel.

Da ging LiLaLu davon.
Und die junge Frau fütterte das Vieh.
Und kochte das Essen.
Und Hans sang für sie schöne Lieder.

LiLaLu aber lief übers Land.
Und die Sonne weinte.
Und der Wind strich durchs Gras.
LiLaLu aber lief und lief.

Da war es Hans plötzlich.
Als spürte er einen Schmerz.
Einen ganz kleinen.
Und für einen winzigen Augenblick.
Erinnerte er sich an LiLaLu.
Und ihr Lachen.

Und die junge Frau spürte es auch.
Da fassten sie einander an der Hand.
Und drückten sie ganz fest.

Und LiLaLu spürte einen feinen Stich in der Brust.
Und sie wollte zurück zur Sonne, zum Horizont.
Und lief und lief.
Und als sie ihn fast erreicht hatte.
Da breitete der Wind seine Arme aus.
Und fing sie auf.

Und hob sie empor.
Und stellte sie an den schönsten Platz.
In den Nachthimmel.

Und dort steht sie jede Nacht.
Und leuchtet silbern.
Und ist niemand anders.
Als der Mond.

Und wenn böse Zungen sagen.
Der Mond leuchte nur durch die Sonne.
So wissen sie nichts.
Denn es sind ihre Tränen.
LiLaLus.

Die sie weint.
Um für andere zu leuchten.
Wie einen Schleier breitet sie sie aus.
Und lässt sie schimmern und glitzern.

Und irrst du durch die Nacht.
So schau hoch.
Und sieh ihr Leuchten.

Und ihr Lächeln.
Auch für dich.

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Nutzer: Jane05
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geschrieben am: 02.05.2002    um 22:28 Uhr   
Einfach nur wunderschön...diese kleine "Geschichte" kann einen zu Tränen rühren..wirklich..

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Nutzer: Gast_Zaira
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geschrieben am: 03.05.2002    um 21:15 Uhr   
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