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geschrieben am: 12.11.2002 um 20:07 Uhr
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nichts, nur leben 1:
ich liebte sie.
ich glaubte es jedenfalls. es musste liebe sein. was sonst, ausser liebe hätte meine regungen erklären können, als ich sie fand? mitleid?
ich kannte sie seit jahren, genauer gesagt, seit jenem tag, an dem sie mit ihren eltern in unser dorf zog, ein dreihundert seelen dorf. das war vor acht jahren gewesen.
wir besuchten gemeinsam die volksschule, das gymnasium, man hatte das gefühl, wir wären eine person, hielt uns schon lange für zwillinge, es gab nichts, was wir nicht gemeinsam erlebten, auch unsere körper entdeckten wir gemeinsam.
schon in sehr jungen jahren, in jenen nächten, die wir gemeinsam verbringen durften, sie bei mir oder ich bei ihr schlafen durfte. kinder eben. an ihr durfte ich erleben, wie ein mädchen zur frau wurde.
nur um nicht falsch verstanden zu werden, wir hatten nie geschlechtsverkehr miteinander, und trotzdem waren wir uns in jenen nächten näher als "nur sex" es je erlauben würde. ich bin mir sicher, viele bumsende paare haben überhaupt keine ahnung, wie nah sich zwei menschen kommen können ...
vor zwei wochen war sie vierzehn geworden. wir waren noch nicht dazu gekommen ihren geburtstag auf unsere ganz spezielle weise zu feiern, heute wollten wir es nachholen. ihre eltern waren über das wochenende im ausland, daher hatten wir zeit und vor allem, niemand würde uns dabei stören. ein paar gläschen sekt und zärtlichkeit, ein wochenede lang. ich freute mich schon seit tagen darauf.
es war kurz vor zehn und sie war immer noch nicht zuhause. normalerweise rief sie an, wenn sie irgendwo aufgehalten wurde. langsam machte ich mir sorgen. ich hatte mich schon gewundert, als ich um sechs vor ihrer haustüre gestanden und niemand geöffnet hatte. es war das erste mal gewesen, dass sie auf eine verabredung vergessen hatte. zum glück hatte ich schon seit jahren den wohnungsschlüssel und musste so nicht im freien warten. ich lief nervös auf und ab.
hatte sie heute jemanden kennengelernt und mich vergessen? und wenn schon, ich gönne es ihr. doch wenigstens anrufen hätte sie können.
war ich etwa wütend?
ich verliess das haus, ging nachhause, fragte meine eltern, die mich erstaunt ansahen, als wollten sie sagen, warum bist du hier, du wolltest doch mit ihr ..., sie wussten es, hätte mich auch gewundert ..., ob sie angerufen hätte. ihr nein war ein heftiger schlag in die magengrube, ein riesiger stein machte es sich darin bequem. ich hatte plötzlich furchtbare angst. ich zitterte am ganzen körper, musste mich hinsetzen.
meiner mutter entging nichts.
"ich verständige besser die polizei", sagte sie, was mir einen zweiten, heftigeren schlag versetzte. wenn sie schon solche schritte in die wege leitete, für sinnvoll erachtete ...
ich konnte nicht anders, ich rannte in die nacht, lief ziellos durch die gegend, eine schreckliche eingebung jagte mich in den wald, in die schottergrube.
ihr linker turnschuh. er lag da und grinste mich an, seine spitze war blutrot. mein herz raste.
ich rief nach ihr. nichts.
zögernd ging ich weiter. ich wusste es. ich konnte mich nicht dagegen wehren, ich wusste es einfach. ich wankte, schloss meine augen. ich zwang mich weiterzugehen. da lag sie.
der schmerz schnürte meine kehle zu. ich wünschte, der mond würde sich auflösen, damit ich sie nicht sehen musste.
ich fiel neben ihr auf die knie. neben ihrem kopf lag ein stein, blutrot, in einer blutroten lache, blut unter ihrem körper, ich kniete in ihrem blut.
ich hob sie hoch, lehnte mich an einen baum, drückte sie an mich.
sie roch nach paris.
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"..man muss noch Chaos in sich haben um einen tanzenden Stern gebären zu können.." -Nietzsche-
Wolke, im Chat besser bekannt als Windstille |
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