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liebe, lust und langeweile

Nutzer: bonvoyage
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Registriert seit: 27.10.2002
Anzahl Nachrichten: 8

geschrieben am: 27.10.2002    um 20:36 Uhr   
seid gegrüßt, ihr kühnen wortakrobaten

bin neu in diesem forum und habe mich schon jetzt
auf's Köstlichste amüsiert. an manchem ist wirklich ein wahnsinniger poet verlorengegangen! woran liegt es nur,
dass solch geistige überflieger hier im internet verweilen?

findet man im trauten umfeld kein aufmerksames auditorium?
vielleicht jedoch ist die zahl derer, denen die sprache als mittel der kommunikation etwas bedeutet,
schon so verschwindend gering geworden,
dass diese wenigen verdammt sind, die anonymität des netzes als segen zu empfinden. oder versteckt sich hier vielleicht mancher germanist vor den sprachlichen verunglimpfungen seiner schülerschar und erträgt dafür die gelegentlichen ergüsse schwärmerischer, enttäuschter jungromatiker?

Übrigens: so hat es doch wohl bei jedem mal angefangen! es ist ein starkes gefühl erforderlich, dass ein mensch zur feder greift. warum nur treibt uns die trauer (meist der verlust einer liebe) viel eher zum schreiben, als überwältigendes glück? möchten wir das glück für uns allein haben, während wir die trauer wenigstens mit einem stück papier ( oder heute den unbekannten gegenübern im forum)zu teilen wünschen?

zumindest gibt mir dieses forum den glauben zurück, dass sich in chats und foren nicht nur plauderer und langweiler tummeln, deren erste frage sich stets auf das geschlecht des partners bezieht.(Ich warte schon auf den ersten von euch, der mir durch die frage: "bist du m/w?" seine verachtung demonstriert)verachtung ist ja auch ein thema hier.

wie dem auch sei, hier ein text, der mir sehr gut gefällt:
(man muss allerdings schon ein paar jährchen auf dem buckel haben, um ihn zu kennen)

wäre ich ein dichter
dann wählte ich das schweigen.
wäre ich ein heiliger,
dann wählte ich die welt.

wie die dinge liegen,
mache ich mir sanft zu eigen
was hinter unsern augen
langsam in die asche fällt.

wäre ich ein tänzer,
dann wählte ich die lähmung.
wäre ich ein sänger,
dann wählte ich den schrei.
bleiben von der gegenwart
wird nichts als die beschämung:
so ist es gewesen.
ich war emmungsvoll dabei.

ich denke, also bin ich, also gut
mein lbensmittel ist der schweremut.

bin ein besserwisser,
habe tricks, tabus, termine:
aufgehobnes opfer
auf der schwelle zum schafott.
irre durch die wüste
als beziehungsbeduine,
geh an meinem wechsel auf die ewigkeit
bankrott.

hoffe, jeden glaubenssatz
bei zeiten zu verraten.
suche und behaupte noch,
die möglichkeit von glück.

stopfe schokoladenherzen in die automaten.
gebe, was ich geben kann
und nehme nichts zurück.

ich pflanze einen baum in meine wut.
mein lebensmittel ist der schweremut.

wäre ich ein libender,
dann suchte ich die eine,
die sich an die eigne große endlichkeit
verhurt.
wäre ich ein embryo,
dann wählte ich trotz allem
jetzt und auch in zukunft
immer wieder die geburt.

ich pflanze einen baum in meine wut.
mein lebensmittel ist der schweremut.

HRK

bis bald,
sue
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