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geschrieben am: 20.12.2002 um 15:39 Uhr
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mittagspause. eine halbe stunde. dann ist die nächste konferenz. nicht daran denken. immer auf das wesentliche konzentrieren. jetzt ist entspannung angesagt. füsse auf den schreibtisch, schlips gelockert, yoghurt löffeln.
schön.
da klingelte das telefon. was ist los? ach ja, er hatte der sekretärin eine halbe stunde freigegeben, sie ist tante geworden und möchte ein geschenk kaufen. ja, es muss menscheln, läuft die firma besser. aber dieses telefon ging ihm auf den geist, bimmelte und bimmelte. er starrte den apparat an, während er weiter löffelte. hört auch wieder auf, dachte er. hätte sie auch auf den anrufbeantworter schalten können, nicht ärgern. nach einer halben minute begann es wieder.
was soll das? er zog sich widerwillig aus dem drehsessel hoch, beinahe hätte er sich mit yoghurt bekleckert.
ganz langsam nahm er den hörer ab und nannte den namen der firma.
„was kann ich für sie tun?“
eine helle frauenstimme sprach zögernd, fast würde er sagen, schüchtern.
„spreche ich mit....“ sie nannte tatsächlich seinen privaten namen. wie kam sie dazu?
„ja“, er anwortete ganz vorsichtig. man weiß ja nie, mit wem man es zu tun hat.
„ich habe etwas für sie.“
nun wusste er, was läuft, wie die an die nummer gekommen ist.
„hören sie“, er wählte jetzt seinen strengen ton, er hatte durchaus ein repertoire zur verfügung, „ich habe an keinem preisausschreiben teilgenommen, ich möchte auch keine kiste wein bestellen oder sonst irgendetwas kaufen, guten tag.“
während er sich nach vorn beugte, um den hörer aufzulegen, hielt er mit der linken hand vorsichtig den yoghurtbecher hoch. das alles ging nicht so schnell, dass ihn ihre stimme doch noch erreichte.
„warten sie bitte.“ er zögerte einen moment, hörer aufknallen, oder. irgendetwas war in ihrer stimme, dass ihn im normalen tonfall antworten ließ: „ja, was ist denn noch, wir haben auch keine jobs zur zeit.“
er ließ sich nach hinten fallen, der hörer hatte ein langes kabel. den yoghurt ließ er stehen.
„also, um was geht es?“ schöne Mittagspause, dachte er, die hätte den strampler auch zum feierabend kaufen können.
„ich möchte ihnen etwas schenken.“
er lachte als hätte er einen witz gehört. was hatte diese frau nur in ihrer stimme, dass er sie anhörte?
„sie möchten mir etwas schenken, ja warum?“
„weil ich sie schon lange beobachte, ich kenne sie sehr gut.“
„dann kenne ich sie auch?“
„nein, sie kennen mich nicht.“
„das ist aber unfair.“
jetzt lachte sie. wie ein silbernes glöckchen. er fasste sich an den kopf, wie kamen ihm solche worte in den sinn.
„ja“, antwortete sie, „aber andererseits, ich will ihnen ja nur was schenken, nichts weiter.“
er schwieg. er überlegte. diese stimme.
„sind sie noch dran?“
„ja“, sagte er und dann etwas zögernd, „was möchten sie mir denn schenken, ich hab doch alles.“
eine kleine stille, aber er hörte sie atmen.
„liebe.“
„hören sie“, eigentlich wollte er aufspringen, „ist das hier `Žne fangschaltung oder so was, 0190, was ist das hier für ein spiel?“
„kein spiel. es geht alles auf meine kosten, sie brauchen nichts zu bezahlen, und die firma auch nicht.“ ihre stimme besänftigte ihn.
„sie sagen, sie kennen mich.“
„sehr gut sogar“
„und ich kenne sie nicht?“
„nein.“
„dann wissen sie, ich habe eine frau, drei kinder, ein schönes haus, zwei autos, eine motoryacht....“
ihr kichern unterbrach ihn.
„ich weiß, und eine geliebte, und eine thailändische prostituierte, die sie einmal in der woche besuchen, immer donnerstag.“
ihm blieb die luft weg.
„sind sie von einem detektivbüro?“
„nein, nein, sie brauchen sich nicht zu sorgen.“
er überlegte. sie ließ ihm die pause.
„wollen sie mit mir essen gehen?“
„nein“, sagte sie, „nicht das, was sie denken, kein reales treffen.“
er fuhr sich durch die haare. diese frau, ihre stimme, sie machte ihn verrückt.
„na, dann wissen sie doch, ich hab genug liebe.“
„wirklich?“
dieses eine wort traf ihn mitten ins herz. er begann zu verstehen.
„jedenfalls bezahle ich“, sagte er leise.
„ja.“ sie hauchte.
„heutzutage gibt es nichts umsonst.“
„doch, meine liebe, ich schenke ihnen meine liebe umsonst. nehmen sie das geschenk an?“
er atmete schwer. „kann ich es mir überlegen?“
„gut“, sagte sie, „ich rufe morgen wieder an, aber dann nie mehr, überlegen sie gut.“
sie hatte den hörer als erste aufgelegt.
draußen hörte er stimmen, wahrscheinlich tuttelte die sekretärin mit einer kollegin um die babysachen herum.
die sekretärin öffnete die tür.
„alles in ordnung, chef?“
„alles klar.“
„soll ich noch ‚nen kaffee machen, sind noch zehn minuten zeit?“
„wär nicht schlecht.“ er richtete sich auf und zog den schlips hoch.
als die sekretärin die tür schließen wollte, hielt sie inne. „haben sie tränen in den augen?“
„ach, ein staubkörnchen“, antwortete er und lachte, „ist schon wieder raus.“
wieder allein, starrte er den apparat an.
„ich glaub, ich habe eben mit einem engel gesprochen“, flüsterte er.
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