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geschrieben am: 28.03.2003 um 22:47 Uhr
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[schwarz][i]
Lena sah in den Spiegel, im Bad.
Sie betrachtete die Wunde an ihrem Kinn. Argwöhnisch musterte sie, wie das Blut ihren Hals herunterlief.
"Gott sei Dank, tut mir jetzt wenigstens was anderes weh als mein Herz!", dachte sie mit einer kleinen Genugtuung.
Sie wusch das Blut mit einem Stück Klopapier ab und ging dann in ihr Zimmer.
Der Fernsehen zeigte an diesem Nachmittag, die üblichen Gerichtsshows, in denen es um Mord und Totschlag, wie um Scheidung ging. Das alles kannte Lena nur zu gut. Sie stellte den Fernseher ab. Schmiß ihre Lieblings-CD in die Anlage und legte sich aufs Sofa.
Ihre Gedanken schweiften zurück:
Vor 3 Jahren hatten sich ihre Eltern getrennt. Vor 4 Jahren begann der alttägliche Zoff, den Lena zwar nur vor der verschlossenen Küchentüre mitbekam, aber das reichte aus, um sich ein Bild der Lage zu machen. Vor 4 Jahren, da war sie 12 Jahre. Dicke Luft, Geschrei und Beschimpfungen ließen den Haussegen schief hängen. Dann das hastige Koffer packen, der schnelle Umzug und das verlassen ihrer Heimat geschah innerhalb von einem Jahr. Sie ist zur Mutter gegangen, weil der Vater eine neue Freundin hat. Die ersten Monate hatte sie es schwer sich zurecht zu finden, die neue Umgebung ungewohnt und schmerzhaft. Sie wurde zu einem anderen Menschen, still und zurückgezogen. Die Mutter bemerkte es nicht, sie war viel zu viel mit sich selber beschäftigt. Lena verstand sie ja, es war für die Mutter ja auch eine völlig neue Situation.
Dann das erste Wochenende mit ihrem Vater und der neuen Frau an seiner Seite. Die neue Frau hieß Katja. Sie war sehr nett zu Lena, doch Lena spürte, dass Katja lieber alleine mit dem Vater sein wollte. Das war das einzige Wochenende nach dem Umzug an dem Lena ihren Vater besuchte.
Er vergaß jedes Jahr ihren Geburtstag, die Mutter regte sich darüber auf. Lena jedoch, sah es als ein Zeichen an. Ein Zeichen, der Gleichgültigkeit. Sie stellte sich oft die Frage, ob sie ihrem Vater dennoch was bedeutete..
Doch eine Antwort kann nur er ihr geben, aber wie bekommt Lena sie, wenn er sich nicht meldet.
Tränen auf ihren Wangen holen sie zurück in die Wirklichkeit. Sie steht auf und sucht aus einer ihrer Erinnerungskisten, das Foto was im Sommer vor 5 Jahren im Urlaub von der "Familie" aufgenommen wurde. Der Vater rechts, die Mutter links und Lena in der Mitte. Alle sehen glücklich aus und dieser Anblick gibt ihr einen Stich. Wie oft hat sie sich schon ausgemalt, wie es wäre, wenn die 3 heute noch eine Familie wären. Aber Lena ruft sich immer wieder aus ihren Träumen mit "Du musst der Realität ins Auge sehn" zurück. Sie bemerkt, wie sehr sie ihren Vater vermisst und wie sehr sie ihn braucht. Doch er ist so unerreichbar, in Gedanken, ist sie ständig bei ihm.
"Denkt er auch an mich?", fragt sie still in sich hinein. Lena nimmt das Foto mit aufs Sofa und hält es fest an ihre Brust gepresst. Sie überlegt, ob sie dem Vater einen Brief schreiben sollte. Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und fängt an "Hallo Papa..? Hallo Gerd..? Lieber Vater..?", sie denkt nach, weiß nicht, wie sie beginnen sollte. Nachdem sie sich für "Hallo Papa" entschieden hat, beginnt sie zu schreiben, alles was sie bewegt. Wie er reagieren wird, weiß sie nicht. Als Lena den Brief zu Ende geschrieben hat, legt sie ihn in einen Umschlag, schreibt die Addresse auf und klebt eine Briefmarke hinauf. "Wenn ich mich beeile, kommt der Brief vielleicht morgen noch an.", mit diesen Gedanken eilt sie zum Postkasten. Sie fühlt sich danach ein wenig besser, hat die Hoffnung das er sich vielleicht meldet.
Zwei Tage später erhält sie den Brief zurück.
"Unzustellbar"
Geändert am 28.03.2003 um 22:49 Uhr von LaDy-SilVeR |
„Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.”
Curt Goetz |
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