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geschrieben am: 02.04.2003 um 20:54 Uhr
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Sie war ein Mädchen wie jedes andere, so schien es zumindest auf den 1. Blick. Und doch war sie irgendwie anders.
Eines Abends, sie saß mit ihrem Freund in der Küche, fing er an, in seinem Essen herumzustochern. "Was ist los mit dir, schmeckt es dir nicht?", fragte sie ihn, ohne wirklich Interesse an der Antwort zu haben. "Doch, doch, das ist es nicht, ich mußte nur gerade über etwas nachdenken", erwiderte er. "Ach ja? Worüber denn?" "Ich weiß nicht genau, ob ich dir das wirklich sagen sollte", sagte er sanft. "Hast du Geheimnisse? Los, erzähl schon, oder meinst du, die Gedanken sind zu gut für mich?", fuhr sie ihn an. "Nein, ok, dann sage ich es dir halt. Eigentlich hätte ich es dir schon vor längerer Zeit sagen müssen, bzw. eher fragen sollen, aber ich hatte nie recht den Mut dazu und habe es wohl auch deswegen verdrängt." "Nun spann mich nicht so auf die Folter!" "Ist ja schon gut. Also, findest du dich normal?" Voller Entsetzen entgegnete sie: "Wie kommst du darauf, mir so eine Frage zu stellen?!"
"Nunja", versuchte er zu erklären, "ich habe gerade wieder deinen Arm gesehen, mit all den Narben- und mit neuen Wunden. Und ich sehe fast täglich deinen Gesichtsausdruck, diese traurigen Augen, die meist nur ins Leere starren, diesen toten Blick und deinen Mund, deine süßen Lippen, die einst so wunderschön gelacht haben und jetzt so aussehen, als ob man sie mit Sekundenkleber so geklebt hätte, dass sie sich nicht mehr nach oben biegen könnten. Dein Gesuchtsausdruck ist quasi der einer Toten, oder von jemandem, der des lachens nicht mächtig ist. Deine Arme sehen aus, als ob sie durch einen Reißwolf gekommen sind. Weinen kannst du auch nicht mehr, wann hast du das letzte Mal geweint? Du bist Gefühlskalt!"
Seine Worte klangen so anders als die, die man sonst von ihm gewohnt war. Sie versuchte, alles genau zu verfolgen, was er sagte. Und dann versuchte sie sich zu rechtfertigen: "Hey, weißt du eigentlich, was du da gerade laberst? Du unterstellst mir Sachen, die ich nie von dir erwartet habe. Nicht von dir!"
Sie wußte, dass er in jedem Punkt Recht hatte, wollte es aber lange Zeit nicht wahrhaben. Vorsichtig fragte er wieder nach: "Und, was ist nun, hällst du dich für normal?" "So eine Frechheit. Ich glaub, du mußt hier nicht den liebevollen oder besorgten Freund spielen. Unterstell mir keine Dinge, von denen du keine Ahnung hast! Anscheinend liegt dir nicht viel an mir, sonst würdest du nicht alles kaputt machen. Geh! Verschwinde aus dem Haus, ich will dich nie wieder sehen müssen. Ich hasse dich!", schrie sie ihn an, ohne auch nur eine Mine zu verziehen.
"Aber ich wollte doch nur wissen, ob du dich für normal hälst. Na gut, wenn du es so willst, gehe ich halt", sagte er unter Tränen ung ging.
Sie kam zur Besinnung und flüsterte: "Nein, ich glaube nicht nur, ich weiß sogar, dass ich nicht normal bin, aber mit deiner Hilfe hätte ich es schaffen können. Und ich weine oft, ich weine nur anders als du, bei mir sind die Tränen rot. Ich liebe dich!"
Draußen, an der kalten Luft stand er jetzt. Ihm war klar, was er gerade getan hatte, aber irgendjemand mußte ihr doch schließlich mal den Kopf waschen. "Ich liebe dich so sehr, deshalb bin ich auch gegangen. Du und ich, wir beide wissen doch, dass es mit dir nicht so weitergehen konnte. Du brauchst Hilfe, Hilfe, die ich dir nicht geben konnte, denn du ließt mich nicht an dich ran, weil du doch so verdammt gefühlskalt bist."
Er mußte ihr die Wahrheit sagen. Hätte er es nicht gemacht, hätte es ihr jemand anderes gesagt.
Deshalb brauchte er sich auch keine Vorwürfe machen, als er Tage später an ihrem Grab einen Strauß Blumen niederlegte. Sie allein hatte den letzten Schritt begangen, denn sie konnte die bittere Wahrheit nicht ertragen
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