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geschrieben am: 08.06.2003 um 18:36 Uhr
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In der Kapelle wurde es still und der Pfarrer blickte von seiner Rede zu Tante Käthe.
>> Wie bitte…? << stammelte er schließlich verwirrt.
>> Herbert hieß er… <<, stellte Käthe richtig.
Er starrte wieder auf das Papier in seiner Hand.
>> Â…einfach nur Herbert. <<
>> HerbertÂ… <<, wiederholte der Pfarrer.
>> Ja,Â… aus Kattowitz <<
Nach einem Räuspern und einer wesentlich gesünderen Gesichtsfarbe als zuvor, hob Pfarrer Lehmann erneut an:
>> 1921 zog Emilie Drewitz mit ihren Eltern und der Schwester Käthe nach Trebnitz, wo sie später Herbert kennenlernte, den sie…. <<
>> So ist es richtig! << Tante Käthe nickte zufrieden.
>> Â… Herbert kennenlernte, den sie 1934Â… <<
>> Hieß er nicht Gustav? << krächzte Opa.
Doch auch diese Trauerrede ging einmal zu Ende und als der Sarg von distinguiert wirkenden Herren heraus getragen wurde, rotteten wir uns wieder zu einer Herde zusammen und trotteten ihm mehr oder weniger brav hinterher.
Weniger brav, weil Moritz nicht umhin kam, mir auf den Fuß zu treten, bevor er sich in die schützende Obhut der mütterlichen Fürsorge begab.
Draußen goss es in Strömen und auf dem lehmigen Boden lauerten bereits etliche Pfützen darauf, in die leichten Sommerschuhe der Damen zu dringen. Vor mir stöckelte Frau Sägemüller - die matronenhafte Nachbarin unserer lieben Entschlafenen - sichtlich bemüht, den schlammigsten Stellen auszuweichen.
Das verlieh ihrem Gangbild etwas ungewollt Komisches, was dadurch noch verstärkt wurde, dass sich ihre birkenstockverwöhnten Fußgelenke der Herausforderung, einen eleganten Damenpump zu tragen, kaum gewachsen zeigten und so infolgedessen zum Umknicken neigten.
Bereit, ihr jederzeit hilfreich zur Seite zu springen, starrte ich auf die strammen Waden vor mir, die seltsamerweise Gelüste nach einem saftigen Eisbein in mir wachriefen.
Jedenfalls so lange, bis Friedhelm - Johannes’ Bruder - ihr seinen Arm anbot, den sie dankbaren Blickes annahm, und ich mich somit dieser verantwortungsvollen Aufgabe der Behütung entledigt sah.
Als unsere Karawane die Grabstelle erreicht hatte, ließ der Regen nach.
Alles war friedlich, bis auf ein kleines Kamel, das aus der Reihe tanzte, indem es sich den Spaten schnappte und anfing Erde in das offene Grab zu schaufeln.
Die eitle Freude daran währte jedoch nur so lange, bis Käthe es kurzerhand am Ohr zurückzog, wofür sie sich einen giftigen Blick von Gesine, der Mutter des Kamels, einfing.
Dann wurde es jedoch wieder feierlich.
Pfarrer Lehmann sprach sein Gebet und die Damen gingen wieder dazu über, ihre Taschentücher aus den Handtäschchen zu kramen, um sie erneut mit ihrer Tränenflut zu tränken.
Diese erreichte ihren Höhepunkt, als der Sarg in die Erde hinab gelassen wurde und daran konnte auch >ein Bett im Kornfeld< nichts ändern, das vom >Goldenen Löwen< vernehmlich zu uns herüber schallte.
Diese Begebenheit erwies sich sogar als äußerst nützlich, denn sie verriet den Ortsunkundigen unter uns den Standort der Lokalität, die Tante Käthe für den Leichenschmaus angemietet hatte.
Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Gäste - kaum dass die letzten Worte verklungen waren - auf den Weg dorthin machten.
Stolperten sie anfangs doch mehr schlecht als recht den schlammigen Pfad hinauf, so ging es jetzt schon merklich flotter, was wohl an der Ãœbung lag, wie man sich denken mag.
Ich ging als einer der Letzten und als ich noch einmal zurückblickte, zückte Pfarrer Lehmann gerade ein großes, buntkariertes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich, wie ich vermutete, die letzten Regentropfen von der sorgenumfalteten Stirn.
Der Wirt des „goldenen Löwen“ - ein grobschlächtiger Kerl mit hoher Stirn und Fliehkinn - führte uns in den, zur Gaststube angrenzenden Saal, in dem uns hübsch gedeckte Tische, geschmückt mit einer etwas avantgardistisch anmutenden Mischung aus Strohblumen und Maiglöckchen, erwarteten.
>> So, jetzt trinken wir erst mal eine schöne Tasse Kaffee <<, übertönte Tante Käthe das allgemeine Gemurmel und ließ sich erschöpft auf den nächstbesten Stuhl nieder.
>> Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen <<, krächzte Opa mit seiner, für ihn so typischen, hohen Stimme und grinste fast zahnlos in die Runde.
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