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Yorck 59

Nutzer: Gast_101
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geschrieben am: 07.06.2005    um 19:46 Uhr   
500 Polizisten räumen 1 Haus
Auch das letzte Relikt der Berliner Hausbesetzerbewegung muss sich geschlagen geben. Nach langem Streit und erfolglosen Vermittlungsversuchen beendete die Polizei gestern das linke Wohnprojekt in der Kreuzberger Yorckstraße 59 mit Gewalt


Als gestern gegen elf Uhr die letzten vier Bewohner von Polizisten hinausgeleitet wurden, ging auch das letzte Relikt der Berliner Hausbesetzerbewegung zu Ende. Einige Passanten, die hinter dem Absperrband der Polizei standen, spendeten den Ex-Bewohnern Applaus. Einer erhob die rechte Faust und rief: "Ihr wart tapfer. Der Kampf geht weiter. Die Yorck bleibt" - in den Köpfen, wird er gemeint haben.

Rund 500 Polizisten waren gestern Morgen im Einsatz, um etwa 150 Bewohner und Sympathisanten aus dem linken Hausprojekt in der Berliner Yorckstraße 59 zu räumen. Es hatte noch nicht einmal begonnen zu dämmern, da rückten gegen vier Uhr die ersten Polizei-Hundertschaften an. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich vor dem Haus weitere, etwa 250 Demonstranten versammelt, um mit Sitzblockaden den Hofeingang zu blockieren. Nachdem sie der dreimaligen Aufforderung des Einsatzleiters, die Hofeinfahrt "unverzüglich" frei zu machen, ignorierten, setzten die Polizisten Schlagstöcke ein. Wenige Minuten bevor der Gerichtsvollzieher um 5 Uhr eintraf, hatte die Polizei die Sitzblockade aufgelöst. Danach dauerte es noch einmal etwa zwei Stunden, bis die mit Wasser gefüllten Müllcontainer und andere Barrikadematerialien aus der engen Hofeinfahrt beseitigt waren. Gegen 7 Uhr waren die ersten SEK-Beamte im umkämpften Hinterhaus. Am Ende der Räumung bilanzierte ein Polizeisprecher vier Verletzte auf Demonstrantenseite, darunter eine Frau, die wegen eines Schwächeanfalls mit dem Rettungswagen abtransportiert werden musste. "Die spektakulären Häuserkämpfe, wie wir sie aus den Achtzigern kennen, sind wohl vorüber", freute sich der Polizeisprecher.

Der gewaltsamen Räumung ging ein fast einjähriger Mietstreit mit dem Hauseigentümer voraus. Im Frühherbst 2004 hatte der Hamburger Immobilienspekulant Marc Walter das Gebäude für 1,5 Millionen Euro erworben und wollte die Miete verdoppeln oder alternativ das Objekt für 2,5 Millionen Euro wieder verkaufen. Nachdem die Nutzer die erhöhte Miete nicht zahlten, kam es zur Räumungsklage. Monatelange Verhandlungen zwischen dem Eigentümer und den Bewohnern führten selbst dann zu keinem Ergebnis, nachdem sich Bezirksregierung und zahlreiche Vertreter der Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses und des Senats in den Streit eingeschaltet hatten. Am Freitag standen die Verhandlungen dann doch kurz vor einem Ergebnis.

Über den städtischen Liegenschaftsfonds hatte die Senatsinnenverwaltung den Bewohnern ein Ersatzobjekt für den symbolischen Preis von einem Euro angeboten, verlangte als Gegenleistung jedoch die Unterzeichnung eines Vorvertrags, worin sich die Bewohner zum freiwilligen Auszug aus der Yorckstraße innerhalb von zwei Wochen verpflichteten. Der Verkaufspreis erwies sich jedoch als Luftnummer, weil der zugesagte Kaufpreis im Vertrag nicht mehr enthalten war. Die Bewohner brachen die Verhandlungen daraufhin ab.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte den gestrigen Einsatz als "überflüssig und falsch". Mit zwei bis drei Wochen mehr Zeit hätte es eine einvernehmliche Lösung gegeben, die Mieter seien mittlerweile kompromissbereit gewesen. Der Berliner PDS-Politiker Steffen Zillich sprach von einem großen Verlust. Durch eine angebotene Zwischenlösung hätten die Bewohner die Möglichkeit gehabt, mögliche Ersatzobjekte vor dem Kauf zu prüfen und die notwendigen Gutachten erstellen zu lassen.

Mit dem gewaltsamen Aus der Yorck 59 geht eine fast 17-jährige Geschichte eines selbst verwalteten Hausprojekts zu Ende, das sich bis zum Schluss nicht nur darin auszeichnete, die vielen anderen alternativen Wohnprojekte der bewegten Achtzigerjahre überlebt zu haben, sondern bis heute das linke und soziale Szeneleben weit über die Berliner Landesgrenzen hinaus bestimmt hat. Neben der Antirassistischen Initiative (ARI), dem Anti-Hartz-Bündnis und vielen anderen sozialen Initiativen war die Yorckstraße 59 gerade in den Neunzigerjahren ein zentraler Treffpunkt für die außerparlamentarische Linke in der gesamten Republik.
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Nutzer: Gast_101
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geschrieben am: 07.06.2005    um 20:50 Uhr   
(zitat)500 Polizisten räumen 1 Haus
Auch das letzte Relikt der Berliner Hausbesetzerbewegung muss sich geschlagen geben.
(/zitat)

das ist quatsch... es gibt in berlin schon noch ein paar besetzte häuser...
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geschrieben am: 13.06.2005    um 02:27 Uhr   
Wie die Alten sungen Â…
Ehemalige Bewohner der geräumten Yorckstraße 59 haben am Samstag Teile des Künstlerhauses Bethanien besetzt. Heute entscheidet der Bezirk, ob sie bleiben dürfen oder ob wieder geräumt wird
VON FRAUKE ADESIYAN

Es war so was Ähnliches wie ein Fest, am Samstag, 15.59 Uhr am Mariannenplatz. Das Bethanien wurde mal wieder besetzt. Der Ort ist symbolisch, die Zeit auch. Die Besetzer sind die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59. Dort hatten sie 18 Jahre ganz legal mit Mietvertrag gelebt, bis zur Räumung am vergangenen Montag (taz berichtete). Nun wurden die Mitglieder des linken Hausprojekts erstmals zu Besetzern - an einem historischen Ausgangspunkt der Berliner Besetzerbewegung (siehe Kasten).

"Yorck 59 im Exil" ist in Rot auf ein Schild gesprüht, das auf den letzten Nutzer verweist: das Sozialamt. Im linken Flügel des Bethanien hatte das Amt bis Ende 2004 gesessen, nun schlafen hier die frisch gebackenen Hausbesetzer. "Wir gehen hier nicht freiwillig wieder raus", sagt Tina, langjährige Bewohnerin der Yorck 59. Ihre Forderung an das Bezirksamt lautet: "Bleiberecht, bis klar ist, in welches Haus wir endgültig reinkönnen."

Ein Bleiberecht hat ihnen Franz Schulz, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne), am Sonntag zugesichert. Allerdings nur bis zum heutigen Gesprächstermin der Besetzer mit Mitarbeitern des Bezirksamts. Dort wird entschieden, ob die "Yorcker" zumindest zwischenzeitlich bleiben dürfen.

Weitere Zusagen konnte Schulz gestern nicht machen. Er verwies zwar wohlmeinend auf den Beginn der Besetzertradition Anfang der 70er-Jahre: "Dass das Bethanien überhaupt noch steht, ist Ergebnis der ersten Besetzung." Zur konkreten Zukunft des Yorck-Projekts äußerte sich Schulz aber nur vorsichtig: "Ich möchte, dass die Yorck als Wohn- und politisches Projekt einen guten und passenden Platz bekommt. Dieser Platz muss nicht unbedingt einer der drei bekannten Vorschläge sein."

Die drei bekannten Vorschläge, von denen Schulz spricht, sind Objekte, die der städtische Liegenschaftsfonds der Yorck 59 kurz vor der Räumung als Ausweichquartier zum Kauf angeboten hatte. Die Verhandlungen waren aber am vergangenen Montag gescheitert. Für die Bewohner war die Bedenkzeit zu kurz. Die vorgeschriebenen zwei Wochen reichten zum Beispiel nicht für nötige Gutachten, weiß auch Schulz: "Nach meiner Einschätzung reichen zwei Wochen nicht für eine solche Kaufentscheidung." Außerdem sind die Alternativgebäude sanierungsbedürftig und teilweise seit langer Zeit unbewohnt.

Im Gegensatz zu diesen angebotenen Häusern, sprechen für das Bethanien vor allem sein Zustand und seine Größe. "Allein vom Anschein und vom gesunden Menschenverstand her ist das hier eine günstigere Adresse", sagt Yorck-59-Sprecherin Tina. Die Entscheidung sei für dieses Haus gefallen, weil der Leerstand bekannt, die Lage günstig und eine Symbiose mit dem im Hauptgebäude ansässigen Kunsthaus gewünscht war. "Auch die Künstler scheinen uns zu unterstützen. Als wir am Samstag das Plakat ausrollten, wurde geklatscht und gejohlt", erzählt Tina. Auf dem großen Stoffplakat ist zu lesen: "Das Bethanien ist besetzt - Yorck 59 bleibt, jetzt erst recht."

Doch dass sie wirklich dort bleibt, ist unwahrscheinlich. Zwar sucht der Bezirk derzeit einen Interessenten für das Haus, der soll dort aber einen Kulturbetrieb mit überregionaler Bedeutung entwickeln. Die Verhandlungen mit einem Bremer Kulturmanager laufen, Gespräche mit der Schauspielschule Ernst Busch sind vor wenigen Wochen gescheitert. Der Bezirk hat ein wirtschaftliches Interesse daran, das Haus per Erbbaupacht zu veräußern. "Das Hauptproblem des Hauses sind seine überdurchschnittlichen Bewirtschaftungskosten", sagt Schulz. Das ansässige Kunsthaus und die Druckwerkstatt bezahlen keine Miete. Erst seit diesem Jahr kommen sie selbst für die Betriebskosten von 3 Euro pro Quadratmeter auf.

Ein Kostenproblem, das im Fall einer Genehmigung durch den Bezirk auch auf die Besetzer aus der Yorckstraße zukommt. Die legen sich jedoch nicht fest, ob sie das Bethanien nur als Zwischendomizil oder als neues Projekt bewohnen wollen. Wenn die Alternativen geprüft seien, könne man sich auch ein Umzug in eines der Liegenschaftshäuser vorstellen, sagt Tina.

Einen prominenten Fürsprecher hat die Yorck 59 auch noch nach der Besetzung. Dem grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele leuchtet die Zwischenstation im Bethanien ein: "Bevor das hier leer steht und die Leute kein Zuhause haben … Mit Vernunft und gutem Willen muss das doch möglich sein." Etwas resignierter schiebt er hinterher: "Aber da spielt wohl auch Politik eine Rolle."

taz Berlin lokal Nr. 7688 vom 13.6.2005, Seite 21, 151 Zeilen (TAZ-Bericht), FRAUKE ADESIYAN
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