Auf den Beitrag: (ID: 852613) sind "17" Antworten eingegangen (Gelesen: 414 Mal).
"Autor"

das eigentliche Leben

Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:31 Uhr   
Ich wollte euch eine Passage aus meinem Lieblingsbuch vorstellen:

Passagen aus "Delphine"

Lächelnd ging ich ins Dachzimmer zurück, wo ich mich in den Sessel sinken ließ, auf dem Delphine gesessen hatte. Er war noch ein bißchen warm. Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen, um das sonnige Gefühl auszukosten, das sie mir zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte. Ich fühlte mich leicht, wie auf einer Wolke schwebend. Mir kamen lebendige Erinnerungen an meine Kindheit, von schönen Gefühlen begleitete Bilder des unbekümmerten Lebens von Augenblick zu Augenblick.
Mit ihrer arglosen, unschuldigen Art hatte Delphine das Kind in mir, das ich mit Mühe und Not durch die Tücken und Härten des Älterwerdens gerettet hatte, erfrischt und gestärkt, und dafür war ich ihr dankbar.
Ich habe mein inneres Kind bestimmt nicht immer so gut behandelt, wie ich es hätte tun sollen, aber wenn es hart auf hart kam, stand ich auf seiner Seite. Schließlich ging es um Leben oder Tod, denn das Kind in mir ist die Quelle meiner Lebensfreude. Und ein Leben ohne Lebensfreude ist der Tod vor dem Tod.
Delphine hatte mich zum Lachen und Staunen gebracht, sie hatte mich heiter und übermütig gemacht mit ihrem leichten, hellen Lebensgefühl. Sie war schon achtundzwanzig und besaß immer noch einen ungetrübten Kinderblick, als hätte das Schicksal vergessen, ihr die obligatorischen Schläge zu verpassen, die angeblich die Persönlichkeit reifen lassen...

>> Teil 2
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:31 Uhr   
Teil 2:

Ich schloß die Augen und sah Delphine vor mir, ihre fröhlichen Blicke, ihr hinreißendes Lächeln. In einer Stadt der frustrierten Mienen war ihr Gesicht eine Blüte auf einem kahlen Ast. Nicht nur ihr Gesicht, ihre ganze Persön-lichkeit war eine ebenso seltene wie erfreuliche Erscheinung. Delphines Charme diente nicht (wie bei vielen Menschen) irgendwelchen Zwecken, er war ein natürlicher Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Die Lebendigkeit ihrer Ausstrahlung hatte etwas Überwältigendes, von Grund auf Belebendes. Ich hatte mit meinen sechsunddreißig Lenzen genug Erfahrungen gesammelt, um erkennen zu können, daß Delphine etwas Besonderes war, als Frau und als Mensch.
Mir gefiel und imponierte ihre Denkweise. Es war ein Denken, das sich nicht auf Bücherwissen stützte, das keine Lehren brauchte und keinen ideolo-gischen Ballast mit sich herumschleppte. Delphine dachte frei, autonom, ihre Einsichten und Ansichten waren dem Leben selbst abgewonnen. Ihre Unbefangenheit, ihre Natürlichkeit und die Fähigkeit, ganz im Augenblick aufgehen zu können, zogen mich immer aufs neue in den Bann, ließen mich die Zeit vergessen...
Es gibt Tage im Leben, an denen mehr geschieht als sonst in einem ganzen Monat. ‚Mehr' ist nicht das richtige Wort, es sind eher die Qualität und Intensität des Geschehens, die uns das Gefühl vermitteln, daß so unglaublich viel passiert. Im Grunde geschieht vor allem Neues, Unverhofftes, das uns von unseren Trampelpfaden durch den Alltag weglockt und Mut zum Erkunden neuer Wege macht. An solchen Tagen werden die Weichen gestellt für künftige Möglichkeiten und Entwicklungen...

>> Teil 3
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:32 Uhr   
Teil 3:

Manche Menschen lächeln aus Berechnung. Delphines Lächeln kam von innen. Es war ein Ausdruck ihres Lebensgefühls und beseelte ihr Gesicht, gab ihm Glanz und Ausstrahlung. Delphine glich einer Blume, die genauso schön duftet, wie sie aussieht. Ihr Seelenduft war eine harmonische Komposition aus Frische, Seinsfreude und Helligkeit. Ich inhalierte ihn tief, und er verwandelte mich, stärkte mich, öffnete meine psychischen Poren, legte Glanz in meine Augen, Zärtlichkeit in meine Stimme und hob mein Lebensgefühl auf eine höhere Ebene. Delphines Wirkung auf mich war so stark, daß ich manchmal Mühe hatte, ihren Worten zu folgen, weil ich kaum fassen konnte, wie sehr mich ihre bloße Nähe veränderte. Je länger ich in Delphines Gegenwart badete, desto mehr verlor ich den Boden unter den Füßen, ich wurde leichter und näherte mich dem euphorischen Gefühl, das ich aus manchen herrlichen Träumen kannte, in denen ich schweben und fliegen konnte, hoch über Städten und Landschaften. Was mochte das für eine Frau sein, die mich mit ihrer bloßen Anwesenheit den Glücksgefühlen meiner Träume nahebrachte? Ich hatte schon seit langer Zeit Sehnsucht nach einer magischen, inspirierenden, über das Alltagseinerlei erhebenden Liebe. War Delphine die Frau, mit der ich sie vielleicht erleben konnte?

>> Teil 4
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:33 Uhr   
Teil 4:

Ich spürte, dies war einer jener kostbaren magischen Momente, die ein Leben verändern können. Meine Hand legte sich zärtlich auf Delphines Schulter, dann auf ihren Hals, während wir uns fortwährend in die Augen sahen. Wie von selbst fanden sich unsere Lippen zu einem überwältigenden Kuß. Er war eine gegenseitige Verzauberung. Ich hatte schon oft, aber noch nie so geküßt, hatte es gar nicht für möglich gehalten, daß eine Frau und ein Mann sich solche starken, überwältigenden Gefühle mit einem bloßen Kuß schenken können. Wenn ich bis dahin über die Bedeutung unserer Begegnung noch im unklaren gewesen war, so gab es für mich jetzt keinen Zweifel mehr: Sie war der Beginn eines neuen Lebens. Unser Kuß hatte es besiegelt...
In früheren Jahren war ich gelegentlich so übermütig, vom Leben zu erwarten, daß es mich unterhält, daß es mir etwas bietet. Um Realisten machte ich einen Bogen. Sie mochten sich in der Welt auskennen, aber sie wirkten unglücklich. Die Realität, die ich suchte, sollte stark und froh machen.
Ich lasse mich auch heute nicht von der Realität vereinnahmen und lebe im Grenzgebiet zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Manchmal, leider zu selten, verschwimmen die Grenzen: das Phantastische wird real, und das Reale wird phantastisch. Solche Momente waren und sind die Sternstunden meines Lebens.

>> Teil 5
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:34 Uhr   
Teil 5:

Als Delphine ihre Wohnungstür öffnete und wir uns in die Augen sahen, war ein solcher Augenblick. Die Zeit blieb stehen. Alles in uns und um uns herum war still und bestaunte ungläubig die Schönheit unserer Begrüßung. Auch wenn es übertrieben klingen mag: Mir war, als würde ein Licht auf meine Seele fallen, in dem ich die wahre Schönheit des Lebens erkannte. Es war ein lautloses Jubeln, eine herrliche Bestätigung meines unverwüstlichen Glaubens, daß hinter den Kulissen des Alltäglichen kleine Wunder versteckt sind, die auf glückliche Entdecker warten.
Kaum waren wir in Delphines Wohnung, küßten wir uns, bis meine Knie so weich wurden, daß ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Spätestens jetzt wurde mir klar, daß Delphine ein Kußgenie war. Ihr Mund hatte magische Fähigkeiten, ihre Küsse waren purer Zauber. (Später fiel mir ein, daß Französinnen als besonders gute Liebhaberinnen gelten. Eins war sicher: So hatte mich noch keine Frau geküßt, mit der Energie eines Wasserfalls, der Hitze eines karibischen Sommertages und der Klarheit eines Bergsees.)

>> Teil 6
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 24.02.2001    um 13:35 Uhr   
Teil 6:

Man ist ja fähig, sich in punkto Liebe einiges vorzumachen. Man kann sich Liebe einbilden, weil man sie unbedingt braucht oder sich einbildet, sie unbedingt zu brauchen. Was ich fühlte, war aufregend real, voller Kraft und über jeden Zweifel erhaben. Delphine hatte das pure Leben in sich. Jede Minute mit ihr stärkte meine Überzeugung, daß ich mich in sie verliebt hatte, und daß dies das beste war, das mir seit sehr langer Zeit geschehen war...
Delphines Küsse waren warme, prickelnde Wellen in meinem Körper, die immer höher, immer stärker wurden. Ich hatte noch nie so starke Glücksgefühle beim Küssen erlebt. Wir sanken aufs Bett und hörten nicht auf, uns zu küssen, als hätten unsere Lippen ein Leben lang darauf gewartet, sich zu berühren, sich zu spüren. Wir atmeten den berauschenden Duft einer sich erfüllenden Sehnsucht. Ich war fasziniert von Delphines Leidenschaft, der Weichheit und dem Duft ihrer Haut, der Frische und Schönheit ihres Körpers. Ihr Herz klopfte, als wolle es zerspringen. Ich spürte, daß wir uns liebten, und eine unbeschreibliche Freude durchströmte mich. Und ich wußte wieder, was Glück bedeutet. Ich hatte es vergessen, weil ich zu lange nicht mehr glücklich gewesen war. Es bedeutet mehr als alles andere auf der Welt, es ist das eigentliche Leben.

Hans Kruppa


mehr davon: Link


...es ist das eigentliche Leben!

MarkWendt
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 25.02.2001    um 23:17 Uhr   
Ich hatte gehofft, ich les hier mal, wie euch das gefällt..naja dann wohl nicht

MarkWendt
  Top
"Autor"  
Nutzer: Gast_Zabia
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 20.06.2002
Anzahl Nachrichten: 5679

geschrieben am: 26.02.2001    um 21:14 Uhr   
Ich finds sehr gut!
  Top
"Autor"  
Nutzer: MarkWendt
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 253

geschrieben am: 01.03.2001    um 20:51 Uhr   
45mal gelesen und nur Zabia hat geantwortet...

traut ihr euch nicht oder was ist los ?

MarkWendt
  Top
"Autor"  
Nutzer: Riven
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 31.10.2000
Anzahl Nachrichten: 24

geschrieben am: 02.03.2001    um 13:43 Uhr   
Mark...traurig aber wahr.. literarische Beiträge in den Foren sind leider nicht gefragt.. alles, was grammatikalisch richtig und niveauvoll ist, scheint einfach nicht trendy genug zu sein.. verzweifel nicht, den Part übernehme ich hier schon regelmäßig...*g*.

Bin ja maßlos erstaunt, daß es doch noch einige gibt, die LESEN...mensch.. welch Sternstunde..*g*

Guter Tipp: Milan Kundera "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"...immer wieder bewegend..cu


Geändert am 02.03.2001 um 13:44 Uhr von Riven
  Top
"Autor"  
Nutzer: brummm
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 66

geschrieben am: 02.03.2001    um 15:33 Uhr   
hm..nun da du schon fragst mw...ich finds eher nŽ unglücklichen versuch konsalik auf ein höheres bzw. auf überhaupt ein nivau zu heben...
eher flach mit einem schmierigen pathos...
so...du wolltes es hören...
bis bald mal wieder...
  Top
"Autor"  
Nutzer: martymaus
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 54

geschrieben am: 03.03.2001    um 15:15 Uhr   
Du...naja...klingt irgendwie traurig! Das Buch wär für mich persönlich nichts, denn das macht mich nur traurig...aber du jedem das seine! hihi
Bussi Martymaus!
  Top
"Autor"  
Nutzer: blueplanet(w)
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 01.01.2000
Anzahl Nachrichten: 250

geschrieben am: 03.03.2001    um 15:20 Uhr   
<--------is überweltigt....... einfach nur geil.....

Mehr kann ich nicht sagen, mir fehlen dir Worte.......

blue
  Top
"Autor"  
Nutzer: StephanWeidner
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 21.09.2004
Anzahl Nachrichten: 1013

geschrieben am: 03.03.2001    um 15:24 Uhr   
Verneigt sich vor Mark...

Sollte die abentlichen Chat sessionen gegen lese stunden tausen ... :o) ich glaub das mach ich mal wieder nu muss ich nur noch in ne bücherei ... nen buch holen :o)

vieleicht sogar dein's Mark?!
*~.~*
  Top
"Autor"  
Nutzer: Gast_Choose
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 25.10.2003
Anzahl Nachrichten: 6

geschrieben am: 03.03.2001    um 19:40 Uhr   
Hallo Mark,
als erstes möchte ich mal sagen das ich es gut finde das es auch noch Leute gibt die lesen und nicht nur chatten.
Der Auszug fand ich toll. Über weitere Beiträge würde ich mich freuen.
Ciao Choose
  Top
"Autor"  
Nutzer: Gast_Jesica_11
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 17.02.2001
Anzahl Nachrichten: 50

geschrieben am: 03.03.2001    um 19:47 Uhr   
Hab keine lust soviel zu lesen obwohl ich eine richtige Leseratte bin
  Top
"Autor"  
Nutzer: Gast_Eumelinchen
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 12.05.2005
Anzahl Nachrichten: 36

geschrieben am: 03.03.2001    um 22:34 Uhr   
Ich findŽs supi!
  Top
"Autor"  
Nutzer: Gast_kleinafeigling
Status: Profiuser
Post schicken
Registriert seit: 21.09.2002
Anzahl Nachrichten: 6

geschrieben am: 03.03.2001    um 23:58 Uhr   
..ich hocke nicht oft vor meinem Computer und heule den Bildschirm an... (naja.. es hat mich auch in meiner depressiven phase erwischt!!!) .. aber: wunderschön...

euer kleiner feigling...
  Top