|
geschrieben am: 05.05.2002 um 17:19 Uhr
|
|
[i]und ne neue story von mir[/i]
Hannes Heinkel, ein Beamtenleben
Heinkel drehte das kleine Fläschchen mit dem kombinierten Herz-/Kreislaufpräparat widerwillig zwischen seinen Fingern hin und her. Stoisch ließ er zwei Pillen in ein Glas Wasser fallen, verfolgte aufmerksam den Auflösungsprozess und kippte die Medizin in seinen Rachen. Dann wandte er sich wieder den Bauanträgen zu, bis ihn etwas Kaltes in seinem Nacken gebot, in der Bewegung innezuhalten. Messerschmidt, der am Schreibtisch vor dem Fenster saß, merkte wieder einmal nichts und ihm ein Zeichen zu geben, schien angesichts der Bedrohung unmöglich.
"Psst!", machte es hinter ihm. Heinkel drehte seinen Kopf, unendlich langsam. Schließlich sah er Gothinger, den Amtsrat. Und die Pistole. Ein groteskes Bild: Heinkel musste schielen, um die Mündung zu fokussieren. Gothinger verzog das Gesicht. "Sie sind hier!", flüsterte er und gab ihm mit einem Wink zu verstehen, ihm aus dem Büro zu folgen. Auf dem Flur angelangt, blickte er sich gehetzt um und drückte Heinkel die schwere Waffe in die Hand. "Die werden sie brauchen!", hauchte er noch und verschwand im Laufschritt.
Heinkel fühlte sich einsam. Eben noch wollte er einen Bauantrag für einen Kindergarten wegen eines Formfehlers ablehnen, nun stand er mit einer Pistole auf dem Unterflur des Bauamtes Nord II. Plötzlich flackerten die fahlen Neonlampen und fielen schließlich ganz aus. Instinktiv duckte sich Heinkel und schlich sich ins Büro zurück. Das Dämmerlicht, das aus dem inneren Hof des Gebäudes in das Büro der beiden Beamten fiel, warf gespenstische Schatten in den Raum. Messerschmidts Stuhl war leer. Heinkel spürte einen kalten Schauer aufsteigen. Er, der sein Leben sonst im Griff hatte, war keineswegs Herr der Situation. Plötzlich Schritte! Eine Gestalt im Kampfanzug, bis an die Zähne bewaffnet, baute sich vor ihm auf. Messerschmidt! Heinkel glotzte ihn fassungslos an. "Du hast es nicht gewusst, nein?", fragte sein Kollege.
Eine Explosion riss beide aus dem Gespäch. "Schnell, wir müssen los!", konstatierte Messerschmidt. "Reiß mir noch eben das Rheumapflaster herunter!" Beide stapften in die Küche. Messerschmidt schob den Spint beseite, der widerwillig über das billige Linoleum schleifte. Dahinter kam eine Öffnung zum Vorschein, gerade so groß, das man hindurchkriechen konnte. "Du zuerst!", zischte Messerschmidt scharf. Heinkel ging mühsam auf die Knie, seine Stützstrümpfe waren nicht fürs "Kriechen" gemacht und zerrten an den Waden. Gewehrläufe stießen gegen die Tür des Büros und nötigten Heinkel, sich zu beeilen. Er quetschte sich durch das Loch und kroch durch die Röhre, dicht gefolgt von einem schnaufenden Messerschmidt, der den Spint wieder herangezogen hatte, um dem Feind keinen Anhaltspunkt zu geben. Heinkel verstand nichts mehr. Ein Loch in der Wand der Teeküche, die Begenung mit Gothinger, Messerschmidt bis an die Zähne bewaffnet. Eine Explosion hinter ihnen und die beiden treuen Sachbearbeiter ließen sich instinktiv auf den Boden fallen.
"Ich heiße übrigens Florian!", keuchte Messerschmidt. Für Heinkel keine Information, die ihn zum jetzigen Zeitpunkt weiterbrachte. Nach einer Weile des Kriechens erreichten sie eine Höhle. Schwerfällig erhob sich Heinkel, seine Bandscheiben waren Belastungen dieser Art nicht gewohnt. Als er sich den Staub aus der Strickjacke geklopft hatte, sah er sie. Zuerst einmal war dort Gothinger, der Amtsrat. Schmidt war da, Meyerhoff und sogar Düster, der Hausmeister, den jeder "Grotte" nannte, weil seine kleine Werkstatt neben dem Heizungskeller unter dem Straßenniveau lag. Gothinger ergriff das Wort. "Wie sie sicher bemerkt haben, sind SIE hier!"
Leider hatte Heinkel, der sonst so umsichtige Mitarbeiter, der im letzten Rundschreiben des Bezirksamtes einen Rechtschreibfehler gefunden hatte, seine Pistole verloren, da sich die Taschen einer Strickjacke naturgemäß nicht zur Aufbewahrung einer Waffe eignete. Gothinger verachtete ihn dafür und sah ihn missbilligend an, sagte aber nichts, da er zu diesem Zeitpunkt keinerlei wehrkraftzersetzende Diskussion führen wollte.
|
|
|
|