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geschrieben am: 17.07.2002 um 23:46 Uhr
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Ich bin kein Mensch, der durch die Welt rennt und alle Menschen in irgendwelche Schubladen sortiert nach alt und jung. Deutscher und Ausländer, Schwarzer und Weißer, "rechts" und "links" oder sonstwie, obwohl mir, wie allen Linken, oft vorgeworfen wird, daß ich dies tue und manche Leute in eine rechte Schublade stecke. Viele wehren sich gegen eine Einordnung in irgend etwas und fühlen sich oft zu unrecht betitelt.
Ich unterhalte mich oft mit meinen Verwandten, Klassenkameraden und Lehrern, Freunden, mit Jugendlichen und Nachbarn auf der Straße, und die meisten sagen von sich selbst, sie wollen weder mit "rechts" noch "links" etwas zu tun haben, sie bezeichnen sich als "stinknormal", unpolitisch oder neutral.
Jedoch höre ich neulich von meinem "neutralen" Onkel, wie er von der Überfremdung Deutschlands spricht, und daß er der Meinung sei, daß es ihm besser ginge, wenn es keine Ausländer in Deutschland gäbe, und er es richtig finde, daß sie abgeschoben würden.
Der Busfahrer spricht den Asylbewerber , der sich durch sein schlechtes Deutsch "verrät", mit "Du" an und die Asylbewerberkinder werden auf dem Schulweg im Bus von Schülern der Zetkinschule drangsaliert.
Viele meiner Klassenkameraden sagen, die "Zecken", die ins Infocafé gehen, seien selbst schuld, wenn sie von Rechten angegriffen werden, weil sie mit bunten Haaren rumlaufen und "für Ausländer" sind.
Im Warteraum des Zahnarztes höre ich, wie eine Frau über ihren Nachbarn tratscht, der homosexuell ist, und daß sie nun besonders vorsichtig sein müsse, weil man ja nie wissen könne, "was die für Krankheiten haben".
Mein Vater sichert sein Auto jetzt jeden Abend doppelt und dreifach weil man sich ja, so sagt er, vor den "Pollacken- und Rumänenbanden" nicht genug schützen könne.
Und höre ich nicht auf dem Schulhof oder in der Kneipe so oft Juden-, Frauen- und Schwulenwitze, und wenn ich mich umdrehe, sehe ich eben diese ganz normalen Bürger oder Jugendlichen.
All diese kleinen Beispiele zeigen Situationen aus dem Alltagsverhalten von Jugendlichen oder Erwachsenen, die nicht einer rechten Partei oder Jugendszene angehören oder sich sogar offen zu Rechtsextremismus bekennen. Es sind Äußerungen und Gedanken eben dieser "ganz normalen, unpolitischen, neutralen" Bürger.
Wer aber hinterfragt die Werte und Gesinnungen, die hinter der vermeintlichen politischen Distanziertheit stehen, und sind diese denn wirklich so neutral?
Es ist Zeit, diese Frage zu beantworten.
Dies sind nur wenige Beispiele, wie man sie täglich Hunderte sammeln könnte, und alle stehen sie für die Distanziertheit der Menschen gegenüber Weltoffenheit und multikulturellen Ansätzen, für die Ablehnung, Diffamierung, Kriminalisierung und Ausgrenzung von Linken, Homosexuellen, Asylbewerbern, für rassistische Vorurteile gegenüber Ausländern und Minderheiten, für ein Streben nach Anpassung und Konformität, für Ansätze von Nationalismus oder sogar streng faschistisches Gedankengut.
Die Beispiele zeigen, wie normal und versteckt rechtes Gedankengut in der Gesellschaft in unterschiedlichster Form vorhanden ist, auch wenn sich alle, die solche Dinge äußern als neutral oder unpolitisch, auf keinen Fall aber rechtsradikal bezeichnen oder einer rechten Partei angehören. Aber sind diese Haltungen und Gedanken nicht trotzdem unmoralisch und in einem offenen, menschlichen und demokratischen Land unhaltsam?
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auszüge aus einem brief eines mir unbekannten schülers.
CULT Nummer Sieben
Herausgeber: SalZ Projekt, Angermünde
Auflage: 500 Stück
Druck: Bärendruck, Berlin
Gestaltung: Paul, Faden Verlag, Berlin
V.i.S.d.P.: Christian
Anschrift: 16278 Angermünde, Postfach 113
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