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geschrieben am: 22.06.2001 um 20:40 Uhr
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Zu Hause ist bei ihr alles prima,
sagt Sabine*. "Ich habe niemals aus Protest oder sowas Drogen genommen, es war reine Neugier und später Gewohnheit." Mit 15 Jahren hat sie angefangen: Extasy, Speed, Koks und Marihuana. Heute ist Sabine 21 Jahre und hat auf all das "keinen Bock mehr".
Extasy einzuwerfen, hat sich damals einfach ergeben.
"Mein Bruder und seine Freunde haben öfters etwas genommen." Irgendwann ist sie mit ihrer Freundin in einen Club gegangen und wollte es auch ausprobieren. "Am Anfang wußten wir nicht, wie man rankommt, aber das bekommt man in der Regel schnell mit." Sabine hat einen DJ kennengelernt, und schon stand sie mitten in der Stuttgarter Drogenszene. "Die Leute, die ich kennenlernte, haben mir nach und nach die ganze Palette angeboten, und ich wollte alles ausprobieren."
Extasy wirkt stimmungshebend und leistungssteigernd.
Sabine erzählt von einem Wochenende, an dem sie mit ein paar Leuten losgezogen ist. Samstag haben sie sich getroffen, Drogen genommen und die ganze Nacht getanzt. Sonntag morgen gegen zehn Uhr sind sie weiter in einen "After-hour-club" und haben bis Montag morgen durchgemacht. "Wir haben zwei Tage bis zum Exzeß getanzt, die Drogen zwingen Dich weiterzumachen. Ich hatte immer ein unglaubliches Bedürfnis zu tanzen - und mit den Drogen hatte ich auch die Energie dazu."
Mit Extasy allein hat Sabine nie gute Erfahrungen gemacht, sie verträgt Extasy nur mit Speed. "Meine Zähne haben immer angefangen zu klappern, ich habe auf meine Backen gebissen, und meine Hände haben sich verkrampft. Speed mit Extasy war okay."
Die Szene erschien Sabine wie eine große Familie.
Alle waren freundlich, alle besorgt, alle haben Drogen genommen. Drogen geben einem das Gefühl von Gelassenheit und Glück, und dabei bist Du die ganze Nacht fit, beschreibt Sabine. "Wir haben zusammen getanzt und Pillen geschluckt." Die andere Seite ist, erzählt Sabine im Nachhinein, daß sie ihre Szene-Freunde eigentlich nur "verdrogt" kannte - nüchtern oder tagsüber hat sie sich nie mit denen getroffen. "Wenn ich mal nichts genommen habe, hatte ich immer das Gefühl, nicht mit denen auf demselben Level zu sein."
"Drogen habe ich nur am Wochenende genommen", sagt Sabine - aber wenn sie es sich genau überlegt, hat sie auch bei der Arbeit Speed gezogen. "Das hat allerdings niemand bemerkt und ist auch nur ein paar Mal vorgekommen." Weil Sabine hauptsächlich am Wochenende was eingeworfen hat, war sie auch nie der Meinung, abhängig zu sein oder Hilfe zu benötigen. Sie war immer überzeugt, Schluß machen zu können, wenn sie keine Lust mehr drauf hätte. Auch heute ist Sabine der Ansicht, daß es nicht schwierig sei, kein Extasy mehr zu schlucken. "Es ist aber unmöglich aufzuhören, wenn man sich weiter in der Szene aufhält."
Sabine verdient rund 1800 Mark und wohnt noch zu Hause.
Sie muß 200 Mark Kostgeld bei ihren Eltern abgeben und macht gerade ihren Führerschein. Früher, als sie "noch drauf war", haben ihr das Geld und der Ehrgeiz dafür gefehlt. Es kommt immer darauf an, was man will: Sie hat damals an einem durchschnittlichen Wochenende zwischen 200 und 500 Mark ausgegeben. "Pillen habe ich oft zwei bis drei am Abend gebraucht. Weil ich die Leute kannte, hab ich eine für 20 Mark bekommen, manchmal mehr, manchmal weniger. Andere zahlen wahrscheinlich 30 bis 40 Mark." Dazu kommen dann noch das Eintrittsgeld für die Disco und natürlich die Getränke. Wer sich mit Extasy pusht, verträgt viel und trinkt entsprechend viel.
Irgendwann wurde Sabine von der Polizei erwischt.
Sie war mit ein paar Leuten im Auto unterwegs. "Die Bullen haben im Auto Drogen gefunden und unsere Personalien aufgenommen, der Fahrer mußte mit auf die Wache, und danach hatte ich einen Höllenschock." Da war der Zeitpunkt gekommen, an dem Sabine alles ihren Eltern erzählte.
Vorher haben ihre Eltern nie etwas gemerkt, "weil ich immer irgendwelche Namen und Leute erfunden habe, bei denen ich nachts bleiben würde". Der Vater von Sabine hat sie nur einmal "völlig verdrogt" zu Hause auf der Toilette gefunden, konnte aber wohl nicht richtig einsortieren, was da ablief mit seiner Tochter - sie hat anscheinend nur ein unverständliches Geblabber von sich gegeben. Ihr Vater hat ihr das später erzählt. Sabine selbst kann sich nicht mehr an die Situation erinnern. Filmriß.
Eines Tages ist Sabine einfach nicht mehr hingegangen.
Vor einem Jahr war das - Sabine hat sich aus der Stuttgarter Drogenszene zurückgezogen. Von einem Tag zum andern. Komplett. "Das ist auch die einzige Chance von den Drogen loszukommen." Heute ist sie froh, daß sie mit den Freaks aus der Szene nichts mehr zu tun hat. "Es hat sich auch nie mehr jemand bei mir gemeldet und nachgefragt, warum ich nicht mehr komme oder wie's mir geht."
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