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geschrieben am: 20.01.2003 um 23:04 Uhr
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Ich bin heute 47 Jahre alt. Mir ist das also 1972 passiert.
Damals war die Lage in Österreich so, daß ich als Mädchen sowieso die schlechteren Karten hatte.
Damals war die Frau "am falschen Ort". Damals herrschte die gesellschaftliche Meinung "der Mann konnte seine Triebe nicht beherrschen".
Beim Untersuchungsrichter warf mir der Berteidiger des Angeklagten, der natürlich (!) dabei war, vor, ich sei ein schlechtes Mädchen, weil ihc vor einer Disko stand (!), als es passierte.
Dass da zwanzig Leute rumstanden, die nix machten, als mich der ins Taxi zerrte; daß der Taxifahrer ignorierte, daß ich die Polizei brauchte, das war kein Thema.
Der Vergewaltiger ist wegen mir nicht verurteilt worden. Bei der letzten Verhandlung die stattgefunden hatte, hat mir irgendwer meine Geldbörse mit meinem Monatslohn geklaut. Ich hab dann noch gelesen, dáß der noch eine 15jährige in seine Gewalt gebracht hatte, und dann hat er noch mal einen Raub gemacht.
Vor mir war er 11 x vorbestraft.
Hier die Todesstrafe zu fordern, wäre nicht gerecht.
Die Leute, die rumgestanden und nicht geholfen hatten, die nicht die Polizei geholt hatten, waren meiner Meinugn nach nicht ganz unschuldig.
Den Taxifahrer hab ich mir mühsam gesucht. Der hatte damals das Kennzeichen L 256.
Er hat mir erklärt, er mische sich grundsätzlich nicht ein. Er gab frei heraus zu, mich verstanden zu haben.
Ich hab ihm geantwortet: Ich hoffe Ihrer Tochter hilft mal wer, wenn ihr was ähnliches passiert!"
Ich weiss genau: In den 70er Jahren war die Lage für Frauen beschi.....
Die Männer hatten die Justiz auf ihrer Seite.
Eine Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Auch in der Ehe und Partnerschaft!
Aber sie ist kein Mord an der Seele.
Sie beschädigt "nur" das Selbstvertrauen, das Selbstwertgefühl, das Vertrauen in die Mitmenschen, das Sexualverhalten, ...
Das aber für Jahre oder Jahrzehnte.
Das Opfer verdrängt, wenn es keine psychologische Hilfe bekommt, weil sie nicht immer an so was Abscheuliches denken kann.
Das Verdrängen bewirkt aber nicht nur das scheinbare "Vergessen".
Ich hab z.B. noch immer panische Angst vor Männern, die mir eher "normal" erscheinen.
Ein z.B. lächerlicher Mann, oder einer, der keine Achtung verdient, mit dem kann ich mich unbefangen unterhalten. Da fühl ich mich stärker.
Männer, die mir sympathisch erscheinen, die "seh" ich nicht mal. Die "hör" ich nicht, sogar, wenn sie mich ansprechen.
Ich kann solchen Kunden nichtmal heut auf Arbeit ins Gesicht schauen.
Das war für mich ein Schock, als mir ein Bekannter das zeigte. Ebenso wie die Tatsache, daß ich bei Berührungen immer zusammenzucke. Sogar bei einem harmlosen den Arm um die Schulter legen.
Ich berühre auch kaum jemanden.
Wen wunderts, daß ich meinen Partner im Internet kennenlernte? Da gibts keine Berührungen, kein ins Gesicht schauen.
Da gibts nur Texte, Gedanken, Austausch von Herz zu Herz.
Der Schaden war gross. Grösser, als ich jahrzehntelang wusste.
[b]Meine Seele aber wurde nie gemordet.
Das Nichtstun der Mitmenschen, der Mittäter (z.B. Taxler), der Polizei und Justiz, das Mich-allein-lassen meiner Eltern und Geschwister, die haben um nichts weniger geschmerzt wie die Vergewaltigung.
Ich bin absolut gegen die Todesstrafe.
Meiner Meinung genügt die absolute gesellschaftliche Ächtung dieser Taten, um die meisten Mädchen und Frauen vor diesem Schicksal zu bewahren.[/b]
Ich bin übrigens der Meinung, obwohl ich sicher Feministin bin, daß ein Mann oder Junge, der vergewaltigt wird, anders leidet.
Weil man Leid niemals abwägen kann, kann ich nicht sicher sagen, ob der mehr leidet. Ich denke aber schon. Geändert am 20.01.2003 um 23:09 Uhr von zabia |
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